Informelle und formelle Regeln (raus)finden und beachten

Formelle Regeln

Ihr plant eine Veranstaltung im öffentlichen Raum und seid unsicher, welche Regeln und Vorschriften ihr beachten müsst? Hier findet ihr wichtige Tipps und Informationen, die euch bei der Planung eurer Veranstaltung helfen werden.

Zunächst einmal: Der öffentliche Raum gehört allen, aber für die Nutzung gelten gewisse Regeln. Kleine Veranstaltungen wie ein spontaner Diskussionskreis oder ein gemeinsames Picknick sind in der Regel erlaubt, ohne dass ihr eine Genehmigung benötigt. Dies nennt man Gemeingebrauch. Für größere Veranstaltungen oder solche, die über den Gemeingebrauch hinausgehen, ist jedoch eine behördliche Genehmigung erforderlich.

Um eine Genehmigung zu erhalten, solltet ihr euch frühzeitig an die zuständige Stelle wenden. Dort erfahrt ihr, welche Nutzungsregeln für den von euch gewünschten Raum gelten und welche Auflagen ihr erfüllen müsst. Eine Bewilligung kostet normalerweise Geld, jedoch gibt es bei gemeinnützigen Vorhaben oft Ausnahmen.

Wichtig ist, dass eure Veranstaltung im öffentlichen Interesse liegt oder öffentlichen Charakter hat, um bessere Chancen auf eine Genehmigung zu haben. Politische Kundgebungen werden in der Regel anders gehandhabt und benötigen oft keine Genehmigung.

Wenn ihr eine Genehmigung erhalten habt, müsst ihr bestimmte Auflagen erfüllen, wie zum Beispiel zusätzliche Toiletten aufstellen oder die umliegenden Bäume schützen. Die Nutzungsdauer des öffentlichen Raums ist in der Regel auf einige Stunden bis maximal einige Tage begrenzt.

Falls ihr Schwierigkeiten habt, eine Genehmigung zu erhalten, könnt ihr versuchen, die Behörden mit verschiedenen Argumenten zu überzeugen. Zum Beispiel könnt ihr betonen, dass eure Veranstaltung den öffentlichen Raum belebt, einen hohen politischen oder regionalentwicklerischen Wert hat oder Kosten für die Gemeinde spart.

Insgesamt ist es sinnvoll, sich frühzeitig über die Regeln und Vorschriften für die Durchführung von Veranstaltungen im öffentlichen Raum zu informieren, um mögliche Schwierigkeiten und Enttäuschungen zu vermeiden.

Folgende Vorschriften sind unbedingt zu beachten:

  • Alkoholausschank: Für den Verkauf von Alkohol ist eine behördliche Erlaubnis erforderlich, die als „Ausschankgenehmigung“ bezeichnet wird.
  • Kochen: Wenn Nahrung zubereitet und verkauft wird, müssen diverse Hygienestandards erfüllt werden und eine Erlaubnis ist erforderlich.
  • Bild und Ton: Filme und Musik sind in der Regel urheberrechtlich geschützt. Für die öffentliche Vorführung von Filmen müssen die entsprechenden Vorführrechte bei den Urheberinnen oder Vertrieben eingeholt werden (zumeist kostenpflichtig). Wenn Musik abgespielt wird, muss dies bei der SUISA (Schweiz), GEMA (Deutschland) oder AKM (Österreich) angemeldet und bezahlt werden, um die Künstlerinnen zu schützen.
  • Jugendschutz: Veranstalter*innen sind dazu verpflichtet, Kinder und Jugendliche vor Alkohol, Tabak und anderen Suchtmitteln zu schützen. Minderjährigen darf entweder kein Einlass gewährt oder kein entsprechendes Material verkauft werden.
  • Beschallung: Eine behördliche Erlaubnis, die als „Beschallungserlaubnis“ bezeichnet wird, ist erforderlich, wenn eine laute Beschallung gewünscht wird. Ohne Erlaubnis muss darauf geachtet werden, dass es nicht zu laut wird, indem nachts Fenster und Türen geschlossen werden, die Boxen nicht in Richtung schlafender Nachbarinnen ausgerichtet sind und damit gerechnet wird, dass die Party abgebrochen werden muss, falls es den Nachbarinnen doch zu laut wird. Es kann hilfreich sein, die Nachbar*innen rechtzeitig zu informieren, um Entschuldigung zu bitten und/oder sie proaktiv einzuladen.

Informelle Regeln der Kooperation

Ihr werdet höchstwahrscheinlich mit Behörden, Politikern, Kirchen, Verbänden, Kulturinstitutionen, Parteien und Eigentümern bzw. Betreibern von Räumen zusammenarbeiten müssen, um eure Ziele zu erreichen. Die Zusammenarbeit mit diesen institutionalisierten Akteuren erfordert oft ein bisschen Überzeugungsarbeit und ein strategisches Vorgehen.

Es lohnt sich jedoch, dass ihr euch mit ihrer Sprache und ihren Zielen auseinandersetzt und ihnen ihre eigenen positiv besetzten Begriffe strategisch serviert. Beachtet, dass Behörden, Politik und andere größere Institutionen nach ziemlich anderen Regeln als kleinere, kreative Kollektive wie ihr funktionieren. Sie haben ihre eigenen bürokratischen Abläufe und meist eine andere Zeitlichkeit als ihr. Aber lasst euch davon nicht abschrecken und nehmt eine selbstbewusste Position ein. Behörden und Politik sind auch nur von Menschen betrieben, einige sind nett und hilfreich, während andere schwierig und mühsam sind.

Um überzeugend zu sein, müsst ihr gute Argumente entwickeln, die die Bedürfnisse eurer Gesprächspartner berücksichtigen und verständliche und ansprechende Unterlagen vorlegen. Wichtig ist auch ein vertrauenswürdiges Auftreten. Entwickelt eure Argumente im Kollektiv, formuliert sie aus und haltet sie parat, um sie im richtigen Moment hervorzuziehen.

Es ist wichtig, sich zuerst im Kollektiv zu einigen, warum ihr die Kompliz*innen kontaktiert und was euer Anliegen ist. Dann müsst ihr viel konkreter werden, um herauszufinden, wer für eure Argumente empfänglich ist und auf welche Ziele euer Vorhaben genau die Antwort ist, auf die eure Gesprächspartner gewartet haben.

Die Ziele eurer Gesprächspartner finden sich in offiziellen Dokumenten, wie Kulturleitbildern, Kulturbotschaften und Kulturstrategien, sowie Entwicklungszielen. Schaut auch auf den Websites eurer Gesprächspartner nach und sucht nach Interviews mit ihnen oder achtet darauf, was sie bisher unterstützt und vorangetrieben haben(1).

  1. Die Vorlagen und Ideen für die Texte und Materialien stammen aus dem Buch ‹ORGANISIERT EUCH! Zusammen die Stadt verändern› von der Urban Equipe und dem Kollektiv Raumstation und ist unter CC BY 4.0 lizenziert. Die Originalversion findet sich unter www.organisiert-euch.org.